Die Vallstedter Kirche St. Martini

Historie

Autor: Richard Brendecke

Das Datum der Errichtung der staatlichen Vallstedter Kirche galt bisher als unbekannt. Das ist auch nicht verwunderlich, denn das Alter der meisten Kirchen im Lande ist ungewiss, selbst das so großer braunschweigischer Stadtkirchen, wie der Martini-, der Andreas- und der Katharinenkirche, bei denen man die Erbauungszeit nur ungefähr schätzen kann. Man schrieb einst, als höchstens jeder 100. lesen und schreiben konnte, nur sehr wenig auf und auch dieses Wenige ist nur zum Teil bis in unsere Zeit erhalten geblieben.

Doch das Datum des Vallstedter Kirchenbaues lässt sich recht genau ermitteln. Aus dem Jahre 1219 existiert noch eine Urkunde des Cyriakistifts vor Braunschweig, wonach es zum Amte des Stiftspropstes gehören solle, den Priester in Vallstedt auszuwählen und in sein Amt einzuführen. Im Güteregister des Stiftes heißt es: Dem Stift gehören im Dorfe Groß Vallstedt 23 Hufen Acker ( = 680 Morgen), in Klein Vallstedt acht Hufen ( = 240 Morgen). Zum Baudatum 1219 passt auch der romanische Baustil der Kirche, der freilich nur im Turmmauerwerk noch sein ursprüngliches Bild zeigt. Diese Kirche war vermutlich nicht der erste kirchliche Bau im Dorfe, sondern es wird, vielleicht schon 100 Jahre vorher, dort eine Kapelle entstanden sein, etwa so groß wie die heutige Wierther Kirche, nur ohne Turm. Die Gemeinde wurde vom Lengeder Priester mitversorgt.

Um 1200 nahm die Bevölkerung Vallstedts stärker zu, dass damals schon das größte Dorf in der Gegend gewesen sein dürfte und wohl 200-250 Einwohner hatte. Zu einer Zeit, als keine deutsche Stadt mehr als 5000 Einwohner zählte, sodass man daran ging, eine selbstständige Kirche zu errichten, deren Innenraum allerdings noch nicht die Größe des heutigen hatte.

Das Baumaterial der Kirche stammt aus dem Thieder Lindenberg, ist also Kalkoolith (Rogenstein), den die Vallstedter Einwohner, damals ausnahmslos Bauern, dort gebrochen und angefahren haben, ebenso wie sie Handlangerdienste beim Bau taten. Die Gestellung des Baumeisters, einiger Maurer und Steinmetze, wohl auch ein Teil der Kosten für das gleichzeitig zu errichtende Pfarrhaus, vor allem aber die Schenkung beträchtlicher Ackerländerei für den künftigen Unterhalt der Kirche, der Pfarrer und des Küsters übernahm der Cyriakistift. Offenbar schon bei der Gründung der Vallstedter Kirche wurde zwischen dem Stift und den Vallstedter Bauern vereinbart, dass künftig die Unterhaltslast der Kirche zur Hälfte vom Kirchenvermögen, d.h. dem Kirchenland, zu tragen sei, zu 2/3 aber der Gemeinde obliege.

Die Kirche wurde dem heiligen Martin geweiht, und da sein Tag der 11. November ist, wird sie wohl am 11. November der Gemeinde zum gottesdienstlichen Gebrauch übergeben worden sein. Ob die Vallstedter Kirche als sogenannte "Wehrkirche" auch zur Verteidigung geplant war oder dafür gedient hat, ist nicht überliefert. Möglich erscheint es vom Bau her durchaus, denn der wuchtige Turm hätte sich durchaus verteidigen lassen. Aber nach der Lage der Kirche, sie wurde außerhalb des damaligen Dorfes gebaut, ist es weniger wahrscheinlich.

Vallstedt war damals von einem Wall umgeben, der um 1320 eingeebnet wurde, die heutige Wallstraße erinnert daran. Drei Tore, je eins im Norden (daher der Straßenname "Am Norddoor"), im Westen und im Süden schützen ferner den Ort, der in alter Zeit recht wehrhaft ausgesehen haben mag. Wären die politischen Verhältnisse für Vallstedt günstiger gewesen, hätte wohl eine Stadt wie Schöningen oder Schöppenstedt aus Vallstedt werden können. Aber es lag im Schnittpunkt der Interessen der Wolfenbütteler Herzöge, des Hildesheimer Bischofs und der sich selbst regierenden Stadt Braunschweig, sodass es durch Jahrhunderte immer wieder ausgeplündert und niedergebrannt wurde. Allein in den Jahren 1378-1405 wurde das Dorf vier Mal leergeplündert. Trotzdem fand man die Kraft zu einem wesentlichen Umbau der Kirche. An der Südweststrecke des Turmes findet sich ein Stein mit fast unleserlich gewordener gotischer Minuskelinschrift: "Anno domini MCCCCXXXI in die urbani inchoata est", was heißt: Im Jahre des Herrn 1431 am St. Urbanstag (20. Mai) ist angefangen worden. Diese Inschrift hat früher zu der irrtümlichen Auffassung geführt, damals sei der Kirchenbau begonnen worden. Wahrscheinlich war es ein Umbau, der begonnen wurde.

An der Südwand der Kirche sieht man noch deutlich eine zugemauerte Tür, deren Höhe von nur 1,5 m zeigt, wie klein die Menschen im Mittelalter waren. Die heutige Eingangstür für die Gemeinde wurde offenbar erst 1652 geschaffen, damals die gotische Tür zugemauert.

1492 und 1521 ist das Dorf Vallstedt niedergebrannt worden, und bei einer dieser Gelegenheiten könnte sehr wohl auch das Kirchendach verbrannt sein. 1641 notierte Pastor Fiedler: "Die Kirche hat in diesem Jahr über aus großen Schaden erlitten, weil darinnen alles verwüstet und zerschlagen worden." Das geschah gelegentlich durch die Soldateska der damaligen Schlacht bei Steterburg im 30-jährigen Krieg. Zum Glück hatte man einige Teile der Inneneinrichtung nach Braunschweig retten können, so zum Beispiel die beiden Glocken. Bis 1769 wurden die Vallstedter Pastore immer in der Kirche beigesetzt, sie selbst meistens vor dem Altar, ihre Frauen unter den Frauenbänken.

Die Reformation konnte nach längeren Wirren erst 1568 im ganzen Braunschweiger Lande durchgeführt werden, wobei eine strenge Kirchenzucht eingeführt wurde. Bei den nun regelmäßigen Visitationen musste sich nicht nur der Pastor die Prüfung auf Herz und Nieren gefallen lassen, auch alle Hausväter mussten Rechenschaft ablegen über sich, ihre Ehe und ihre Gesinde. Wer nicht wohl befunden wurde, musste kniend in der Kirche vor der ganzen Gemeinde Abbitte leisten und Kirchenstrafe zahlen. Wer schlecht über seine Nachbarn geredet hatte, der musste sich vor dem Altar mehrmals selbst "derb aufs Maul schlagen". Später konnte diese öffentliche Kirchenbuße durch schweres Geld abgelöst werden. Curt N. zum Beispiel wurde 1706 wegen Verstoßes gegen das sechste Gebot mit 21 Talern gestraft, dafür musste ein Handwerker damals mehrere Monate arbeiten.

Aus einer Rechnung von 1694, wo jedes Kirchenfenster mit "2 Eysern Stangen" besetzt wurde, damit die Kirche desto besser vor Dieben bewahret sein möge sowie aus den Akten, kann man sehen, dass in die Kirche wiederholt eingebrochen wurde. 1848 wurde die Kirchenkasse aus dem Pfarrhaus entwendet mit 41 Talern in bar und 1200 Talern in Wertpapieren. Das je ein Dieb ermittelt wäre, wird nicht gemeldet.

Mit der Orgel tat sich Vallstedt schwer. Schon 1749 klagte der Pastor, es habe dort nie eine gegeben, obwohl die Gemeinde sich eine hätte leisten können. 1752 versprach das Konsistorium einen großen Zuschuss zu einer Orgel, aber die Gemeinde fürchtete die späteren Reparaturkosten. Erst 1846 wurde eine Orgel auf Gemeindekosten angeschafft und sie dient noch heute. Warum der Orgelbauer H. Reinecke aus Wolfenbüttel die Jahreszahl 1849 darauf schrieb, ist unklar. Von dem alten Kirchengerät ist vieles Diebstählen und Kriegen zum Opfer gefallen. Der Altarleuchter, einfache Messingarbeit, dürfte um 1600 als Schenkung in die Kirche gekommen sein. Wertvollstes Buch ist eine 1651 gedruckte Bibel, die fast zwölf Taler gekostet hatte (etwa 300 €). Auch das Abendmahlsgerät stammt aus dem 17. Jahrhundert.

Der Kirchhof diente bis 1850 als Begräbnisort und wurde dann wegen Überfüllung Zugunsten des jetzigen aufgegeben. Später, bis 1959, diente das ganze Gelände zwischen Kirche und Schule als Schulhof für die Schulkinder.

 

Seit 1219 haben im Schatten des Vallstedter Kirchturmes Tausende von Schicksale gelebt. Viele Stürme sind auch über Vallstedt hereingebrochen, aber die Mauer an der alten Kirche hat bis heute gehalten und werden es wohl noch lange tun.

Zusammenfassung

- Vallstedt war für damalige Verhältnisse ein großer Ort (200-250 Einwohner) (große Städte hatten 5000 Einwohner)

- Baudatum gemäß Urkunde des Cyriakistifts in Braunschweig: 1219 (davor wohl schon eine kleinere Kapelle)

- Dem Heiligen Martin geweiht: 11.11.1219

- Sie wurde außerhalb des damaligen Dorfes gebaut, was gegen eine Nutzung als Wehrkirche spricht

- Die Kirche wurde mehrmals umgebaut. An der Südseite sieht man noch den alten Eingang, und sieht daran wie klein die Menschen damals waren

- 1568 wurde überall in Braunschweig die Reformation eingeführt

- Bis 1769 wurden Pfarrer in der Kirche beigesetzt (meistens vor dem Altar), die Ehefrauen unter den Frauenbänken

- 1694 wurden Eisenstangen an die Fenster gebaut, weil die Kirche öfter geplündert wurde. Das Dorf lag politisch ungünstig in einem Spannungsfeld und wurde öfter niedergebrannt und ausgeplündert. Dies verhinderte dann auch das Wachsen des Dorfes

 

Orgel:

- Die erste Orgel bekam unsere Kirche im Jahr 1849. Sie steht noch heute!

Es gibt zwei Varianten zum Orgelbau:

1. Im Jahre 1846 baute die Firma Engelharft aus Herzberg die Orgel und von der Firma Reinecke aus Vechelde wurde sie 1849 in die Kirche aufgestellt

2. Der Orgelbauer Reinecke aus Wolfenbüttel baute die Orgel

- Die Orgel wurde mehrfach renoviert

 

Kirchhof:

- Diente bis 1850 als Begräbnisort und wurde dann wegen Überfüllung zugunsten des jetzigen Friedhofes aufgegeben

- Später, bis 1959 diente das ganze Gelände zwischen Kirche und Schule als Schulhof

- 1900 veranlasste der Bürgermeister Kreye die Lindenanpflanzung auf dem Kirchhof

 

Buntfenster:

- 1912 wurden die Buntfenster von Familie Struckmann gespendet

- Karl Lauzenstein aus Bodenstedt spendete die violette Altarbekleidung und ein Lesepult

 

Glocken:

1. Glocke 1709

2. Glocke 1711

1917 Abbau der großen Glocke und 1919 Rückkehr

 

Turmuhr

- 1887 von der Firma Weule eingebaut

- Mit Betglockenschlagwerk und wöchentlichem Aufzug

- Viele dieser Glocken stehen in Heimatmuseen - unsere ist bis heute in Betrieb